Frauen in der Spanischen Revolution 1936-1939

Herausgegeben und bearbeitet von Cornelia Krasser und Jochen Schmück

Berlin: Libertad Verlag, 1986 (= anarchistische texte; 32/33), 2. überarb. Aufl., Paperback, 112 Seiten. ISBN: 978-3922226277. Auf 50 Expl. limitierte Sonderedition. Sammlerhinweis: Nur noch wenige Exemplare der Restauflage! 14,80€. Direktkauf bei aLibro.

Keine politische Gruppierung hat in den letzten eineinhalb Jahrhunderten so radikal wie die Anarchisten die Frage der sozialen Befreiung der Menschheit von allen autoritären Zwängen und Institutionen aufgeworfen. Aber schon in der Frühzeit der organisierten anarchistischen Bewegung wird deutlich, daß die Vorstellungen darüber, wer nun genau diese „Menschheit“ sei, die es zu befreien gilt, nicht nur sehr verschieden, häufig auch sehr widersprüchlich waren. Während der französische Anarchist Pierre Joseph Proudhon (1809-1865) notorisch sexistische Anschauungen vertrat und die Frauen auch in der freien Zukunftsgesellschaft an den häuslichen Herd zu den Kindern verbannt wissen wollte, vertrat der russische Anarchist und Gegenspieler von Karl Marx in der Ersten Internationale Michail Bakunin (1814-1876) die Auffassung, daß die Frau zwar vom Mann verschieden sei, ihm aber in nichts nachstehen würde, genauso intelligent, arbeitsam und frei wie der Mann sei und ihm selbstverständlich in allen politischen und sozialen Rechten, Funktionen und Pflichten gleichgestellt werden sollte.

Obschon sich in der stark bakunistisch geprägten libertären Bewegung Spaniens zumindest theoretisch die letztere Sichtweise durchsetzte, unternahmen jedoch die Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten nie praktische Anstrengungen, ein auf die Interessen der Mehrheit der spanischen Frauen ausgerichtetes Programm zu entwickeln. Schlimmer noch; ihre Ignoranz hinsichtlich der Fragen der Frauenemanzipation, ihre traditionelle Befangenheit in den alten Rollenbildern gepaart mit der radikalen Ablehnung derjenigen wenigen sozialen Institutionen, die den Frauen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit und Anerkennung boten, führten dazu, daß die überwiegende Mehrheit der spanischen Frauen kein oder nur ein sehr geringes Interesse für die Ideen und Forderungen der Anarchisten aufbrachte.

Die beiden Autorinnen im ersten Teil dieses Bandes, Temma Kaplan und Liz Willis, versuchen, die historischen Hintergründe des Konfliktes zwischen den globalen emanzipatorischen Theorien und der in den Fragen der Frauenemanzipation konservativen Praxis der Anarchisten aufzuzeigen und sie verdeutlichen die fatalen Folgen, die dieser Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der konkret revolutionären Situation des Jahres 1936 hatte. Das Endresultat von vier Jahren Revolution und Bürgerkrieg in Spanien war eine vernichtende Bilanz für die gesellschaftlich und politisch emanzipatorischen Bestrebungen und ein Triumph des traditionellen und reaktionären Autoritarismus: die Faschisten siegten über die Republik, den Stalinisten gelang es, die Libertären in der Volksfront auszuschalten, und in der anarchistischen Bewegung triumphierte die männliche Ignoranz über die Emanzipationsversuche der anarchistischen Frauen.

Die Erfahrungen der spanischen Anarchistinnen zeigen, daß die revolutionäre Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Umwelt nur dann eine Chance auf Erfolg hat, wenn sie auch den Privatbereich der persönlichen Beziehungen der Menschen revolutioniert; eine Feststellung, die von den heutigen Anarcha-Feministinnen auf die Kurzformel gebracht wird: Das Persönliche muß mit dem Politischen vereinbar sein.

Im Dokumentenanhang wird anhand eines Interviews mit Clara Thalmann sowie einiger zeitgenössischer Stellungnahmen von Mitgliedern der Mujeres Libres und zweier Texte von Emma Goldman ein lebendiger Einblick in die kontroversen Positionen des Themas gegeben.

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